In der Elementaren Musikpädagogik (nachfolgend EMP) besteht grundsätzlich der Anspruch, dass alle Menschen willkommen sind, die aktiv in Gruppen musizieren wollen. Die zugrundeliegende Idee ist, dass es keine homogene Gruppe gibt, welche die Norm vorgibt und der es sich anzupassen gilt, sondern dass es normal ist, verschieden zu sein.
Präambel zum Inklusionsbegriff
Die Verwendung des Begriffes Inklusion im pädagogischen Kontext führt zu folgendem Dilemma: Grundsätzlich bezieht sich der Inklusionsbegriff analog zum Heterogenitäts-Diskurs auf die Kategorien
Geschlecht, Ethnizität, Migration, soziale Herkunft, Begabung, Behinderung und Alter. Bei dem Versuch, für alle diese Bereiche Konsequenzen für die Praxis zu formulieren, besteht die Gefahr,
schnell an Grenzen zu geraten. Aktuelle soziale Herausforderungen und Möglichkeiten können so nur schwer fokussiert werden. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, mit pragmatisch sinnvollen
Empfehlungen auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren(*).
Um in diesem Sinne eine praktische Umsetzung von Inklusion in der EMP zu ermöglichen und zugleich die weite Definition des Begriffs nicht aus dem Blick zu verlieren, werden im Folgenden zunächst
Grundsätze inklusiver Pädagogik aufgeführt und anschließend Qualitätsmerkmale von Inklusion innerhalb der EMP formuliert, die auch zentrale Rahmenbedingungen einschließen.
(*) Vgl. auch Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft (Hrsg.): Inklusion vor Ort – Der kommunale Index für Inklusion – ein Praxisbuch; Bonn 2011 und die Potsdamer Erklärung: Musikschule im Wandel – Inklusion als Chance des VdM; Potsdam 2014
Grundsätze inklusiver Pädagogik
Teilnehmende von Lerngruppen verfügen bereits unabhängig von besonderen Einschränkungen oder Begabungen über unterschiedliche Lernzugänge, Lerntempi, Vorkenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Neigungen und Interessen. Je unterschiedlicher diese ausfallen, umso stärker müssen die Lehrkräfte entsprechende Unterstützungssysteme und Ressourcen in Anspruch nehmen bzw. in der Wahl von Inhalten und Methoden reagieren können.
Um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden gerecht werden zu können, ist eine Analyse der Lernausgangslage aller Teilnehmenden unabdingbar. Weiter sind Lernsituationen zu gestalten, um unterschiedliche Lernzugänge und -wege zu ermöglichen. Aufgrund der zunehmenden Vielfalt sollte genügend Zeit vorgesehen werden, um Lehrende in Aus-, Fort- und Weiterbildung auf diese Aufgaben vorzubereiten.
In der inklusiven Pädagogik werden verschiedene Expertisen zusammengeführt. Ein Ausgangspunkt hierbei sind die Kompetenzen aller am Lernprozess beteiligten Personen. Um der Heterogenität einer Gruppe Rechnung tragen zu können und einen an den Lernenden orientierten und differenzierenden Unterricht zu ermöglichen, ist es häufig notwendig, dass Lehrende und Lernende durch weitere Personen unterstützt werden. Hierbei kann es sich um multiprofessionelle Teams (z. B. Lehrkraft mit Erzieherin bzw. Erzieher, Dolmetscherin bzw. Dolmetscher, Sozialpädagoge bzw. -pädagogin, Sonderpädagoge bzw. -pädagogin) oder auch die Ergänzung durch Bezugspersonen (z.B. Eltern, Großeltern) oder weitere Personen (z. B. aus dem Bundesfreiwilligendienst oder Freizeitbegleiter bzw. -begleiterinnen) handeln.
Inklusion stellt sich nicht automatisch ein, wenn Menschen mit und ohne Einschränkungen in Gruppen zusammengeführt und von multiprofessionellen Teams begleitet werden. Inklusion ist vielmehr eine Entwicklung, in der Leistungs- und Qualifikationsansprüche sowie Selektionsfunktionen kritisch hinterfragt, in der Kooperation und Teamentwicklung institutionell gefördert sowie Rückschläge erwartet und eingeplant werden müssen. Eine institutionell verordnete Inklusion, die den weiten Inklusionsbegriff unreflektiert auf die praktische pädagogische Arbeit bezieht, ist hierbei kontraproduktiv. Inklusion kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten sich als Interessen- und Lerngemeinschaft verstehen.
Auch wenn auf dem Weg zu einer inklusiven Pädagogik viele Menschen erreicht werden können, die zuvor ausgegrenzt wurden, und damit ein Maximum an sozialer Teilhabe und ein Minimum an Diskriminierung angestrebt wird, so wird es je nach pädagogischem Angebot weiter Schülerinnen und Schüler geben, die in spezifischen Settings unterrichtet werden (müssen). Eine Binnendifferenzierung muss im besten Sinne der Inklusion also sowohl innerhalb der heterogenen Lerngruppen als auch in speziellen Lernarrangements für Einzelne stattfinden.
Qualitätsmerkmale für inklusives Arbeiten in der EMP
Damit Inklusion in der EMP gelingen kann, ist es notwendig, dass alle Beteiligten bereit sind, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Hierfür müssen neue Ressourcen bereitgestellt und entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Arbeit- und Auftraggebende sind dafür verantwortlich,
Lehrende sind dafür verantwortlich,
AEMP (Arbeitskreis Elementare Musikpädagogik Deutschland) 2016